Teil II unserer Reise 2019: POLEN

 

unsere Reise 2019 begann in Frankreich und Deutschland, den Bericht findet ihr hier

 


 

 

SÜDPOLEN 20. Juni bis 06. Juli: 

10| Jelenia Góra (Hirschberg) - 11| Wroclaw (Breslau) - 12| Czestochowa - 13| Krakow (Krakau) - Tarnow - Lancut - Kazimierz Dolny - 14| Bialowieza - 15| Augustów

  

 

NORDPOLEN 06. bis 26. August:

30| Goldap - Suwalki (Suwalken) - Mikolajki (Nikolaiken) - 31| Ruska Wies bei Mragowo  - (Sensburg) - Kudyby (Kuhdiebs) bei Morag (Mohrungen) 32| Elblag (Elbing) - Malbork (Marienburg) - 33| Gdansk (Danzig) - 34| Puck (Putzig) - Leba - Zelazo - 35| Darlowo (Rügenwalde) - 36 Szczecin (Stettin)

 

 


SÜDPOLEN

 

10| JELENIA GÓRA (Hirschberg)

Unsere Maggie wiegt 3,850 t und hat somit 350 kg Übergewicht, was sie in Polen in eine Kategorie stellt mit den Lastern bis 12 t. Wir brauchten also eine sogenannte viaTOLL, das ist ein kleiner Apparat, über den die Maut-Gebühren abgebucht werden. Er wird innen an der Frontscheibe angebracht und ermöglicht es sich frei zu bewegen, ohne an Mautstellen anhalten zu müssen. Bekommen haben wir das Teil an der 1. BP-Tankstelle an der Autobahn in Richtung Wroclaw (Breslau) bei einem freundlichen jungen Mann, der trotz Schlange vor seinem Schalter nicht die Geduld verlor und ausgezeichnet Deutsch spricht. 120 PLN (30 €) bezahlt man für das Kästchen und bekommt das Geld bei Abgabe wieder zurück. Für geschätzte 1.200 km, die wir in Polen vielleicht zurücklegen werden, haben wir 240 PLN (60 €) bezahlt. Bei weniger gefahrenen Kilometern bekommen wir Geld zurück, falls es mehr wird, können wir über eine App aufladen. 

Ausweis- und Fahrzeugpapiere in der Tankstelle nicht vergessen!

 

Von Zgorzelec (Görlitz) nach Jelenia Góra wurde die Landschaft immer schöner. Niederschlesien ist sanft gewellt mit viel Wald und weiten Feldern, auf denen man vereinzelte Baumgruppen stehengelassen hat. Nicht alle sind bewirtschaftet. Wir kamen an einigen alten Gutshöfen vorbei, manche verfallen, ein anderer, eher ein Schloss, restauriert und wohl in ein Hotel verwandelt (wenn ich es im Vorbeifahren richtig gesehen habe). Im sogenannten Hirschbergtal, auch Tal der Schlösser genannt, sind in den vergangenen Jahren einige solcher Hotels eröffnet worden, z.T. unter deutscher Leitung, und bieten ihren Gästen einen gehobenen Standard. 

 

Unser Camping 130, die meisten Plätze in Polen sind nummeriert, lag 15 bis 20 Gehminuten vom Zentrum entfernt am Rand eines Parks. Im Preis von 16,40 € war Ver- und Entsorgung einschließlich 24 Std. From inbegriffen, die Parzelle war groß auf festem Gras. Zum Campingplatz gehört eine Bar mit überdachter Terrasse, und über einen Parkplatz gelangt man zu einem großen Supermarkt.

 

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Der Weg in die Stadt führte auf zum Teil kaputtem Gehsteig vorbei an restaurierten oder vernachlässigten alten Häusern, Neubauten aus der kommunistischen Zeit oder auch danach. Touristisches Highlight ist der große Marktplatz mit Laubengängen in allen Häuserzeilen rundherum. Das ganze Ensemble wurde von 1959 bis 1969 nach altem Muster neu aufgebaut, was sehr gut gelungen ist. Natürlich ist nach 50-60 Jahren wieder ein Anstrich oder eine Verbesserung an den Fassaden notwenig, und wo das bereits geschehen ist, freut sich das Auge. Auch an den Skulpturen, die auf dem Markplatz und  in der großen Einkaufsstraße mit Fußgängerzone aufgestellt wurden.

Auf dem Platz war am Donnerstagmittag viel los und die Restaurants gut besucht. Wir aßen in einer Pizzeria und zahlten für einen sehr guten Salat (mit Melone und hauchdünnem Bacon), eine passable Calzone, Bier und Radler umgerechnet 12,40 €. 

 

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11| WROCLAW (Breslau)

Von der Grenze in Görlitz bis hin zu Wroclaw/Breslau haben wir Aldi und Lidl, Leroy Merlin und Carrefour und in der Stadt auch Kaufland gesehen. Nicht zu vergessen Rossmann und in der City von Wroclaw sogar Fielmann. Das kann nur bedeutet, dass das Land sich entwickelt und die großen Marken hier einen Markt sehen.

 

Mit Englisch kamen wir bisher überall gut zurecht, und unabhängig von vorhandenen Sprachkenntnissen haben wir die Polen als sehr freundlich und hilfsbereit kennengelernt.

 

Manchmal fühlen wir uns wie auf Mallorca, weil der überwiegende Teil der Touristen aus Deutschland kommt. Auf dem Campingplatz in Wroclaw bilden Polen eine winzige Minderheit, daneben stehen hier einige wenige Holländer, ein Van aus Dänemark, 2 Womos aus Österreich und 1 aus der Schweiz. Am späten Sonntagabend kam noch eine Gruppe von 5 Fahrzeugen mit französischem Kennzeichen dazu. Außer Maggie bislang weit und breit kein spanisches Wohnmobil. Und im touristischen Zentrum der Stadt begegnete uns eine Gruppe nach der anderen mit deutschsprachigem Guide.

 

Camping 117 liegt in einem Randbezirk von Wroclaw und hielt für Gabriel eine höchst erfreuliche Überraschung bereit. Die Rezeptionistin, eine junge Studentin, sprach fließend Spanisch! Der Platz liegt am Olympiastadion und ist sehr groß. Wir hatten das Glück einer alten Linde, die uns jeden Morgen mit ihren von Blüten überschäumenden Zweigen zuwinkte. Ein Eisstand (sehr leckeres Joghurteis), ein kleines Café (endlich wieder guter Kaffee für meinen Spanier und guter Kuchen für mich) und eine Art Biergarten finden sich draußen vor dem Tor. Auch die Straßenbahnhaltestelle für die Fahrt ins Zentrum liegt direkt vor der Nase. Obwohl die Rezeptionistin auf die Frage nach Fahrradwegen nur unwissend die Schultern hob, bietet die Lage des Platzes auch das. Zum einen im weitläufigen Park gleich nebenan, zum anderen am Uferweg entlang der Oder.

 

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Schon in der näheren Umgebung des Campingplatzes hat Wroclaw einiges zu bieten. Der japanische Garten in 15 bis 20 Gehminuten ist groß angelegt und hat sogar ein Teehaus, allerdings abgesperrt und innen leer. In unmittelbarer Nähe des Gartens liegt die Jahrhunderthalle des Architekten Max Berg (leider z.Zt. geschlossen), dessen Wohnhaus wir zufällig beim Spazierenradeln entdeckten. Mit einer Tafel neben dem Eingangstor auf polnisch und deutsch, wie erfreulicherweise sehr viele Hinweistafeln und Erklärungen dank der Zusammenarbeit beider Staaten im Bereich Kultur zweisprachig (und mehr) sind.

Am besten gefielen mir diesbezüglich die Automaten in der Straßenbahn. Man kann wählen zwischen Polnisch, Deutsch und Englisch und wird dann sicher durch die Zahlung geführt, die NUR per Kreditkarte erfolgen kann. Und der Automat spuckt KEIN Ticket aus, ein hilfsbereiter junger Mann erklärte in mein erstauntes Gesicht: The tickets are in your card. Zum Schluss erscheint sogar ein Gute Reise!

 

Aber zurück zur näheren Umgebung des Campingplatzes. Zwischen dem japanischen Garten und der Jahrhunderthalle breitet sich ein kreisförmiges Wasserbecken aus, umschlossen von einem Rundgang unter einer Pergola. Die Pergola spendet nicht nur Schatten, sondern auch den Namen für ein Spektakel, dass jeden Abend von Mai bis Oktober viele Zuschauer anlockt. Vor allem verliebte Paare genießen die romantische Atmosphäre, wenn zu in die Höhe schießenden farbig beleuchteten Wasserfontänen aus vielen Lautsprechern Klassikmusik erklingt. Gratis und franko zur vollen Abendstunde.

 

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Mit der Straßenbahnlinie 17 (79 geht auch) sind wir in die Stadt gefahren und nach Gefühl ausgestiegen, als wir einen hohen Kirchturm sahen. Gabriels Gefühl trog nicht, von dieser Haltestelle aus spazierten wir am Botanischen Garten vorbei, machten einen Abstecher in die Markthalle (in der u.a. spanische Spezialitäten angeboten wurden) und näherten uns schließlich dem Dom von hinten. 

 

Rückansicht des Doms
Rückansicht des Doms

 

Von seiner Vorderseite aus geht eine Fußgängerstraße bis über die Brücke zur Dominsel. Uns fällt auf, wie aufwändig die Gebäude in dieser Straße restauriert und gepflegt sind, die ausschließlich katholische Einrichtungen wie Priesterseminar oder Caritas beherbergen. Hier scheint es nicht an Geld zu mangeln. Am Ende der Straße mit sorgfältig gestutztem Baumbestand führt die Dombrücke zur gleichnamigen Insel, wobei es sich wie auch bei der Sandinsel schon lange nicht mehr um eine von allen Seiten von Wasser umschlossene Insel handelt.

 

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Beeindruckend ist der Rynek (Ring), wie der Marktplatz in Wroclaw heißt. Ein großes Rechteck, das sich um das alte Rathaus und Wohngebäude herumzieht und den vitalen Mittelpunkt der Stadt bildet mit einer Unmenge an Restaurants und Bars. Hier aßen wir unsere ersten Pierogi (Piroggen), Teigtaschen aus dem Backofen oder Kochtopf, die mit allem möglichen gefüllt werden, während Griechen einen Umzug veranstalteten, Kinder aus Wassereimern Seifenblasen zauberten und eine Bettlerfamilie die Runde von Restaurant zu Restaurant drehte. 

 

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Wieder mal war es der pure Zufall, der uns am Samstagabend-Vergnügen junger Polen teilnehmen ließ. Verwirrt durch einen Wasserlauf parallel zur Oder radelten wir in die falsche Richtung und landeten in einer gesunden Mischung aus Biergarten, Beach-Club, Sportanlage und Kinderspielplatz. Wir waren die absoluten Oldies dort, aber nicht weniger vergnügt. Auf dem Hinweg schon fielen uns Paare und Gruppen Jugendlicher auf, die ihren Grill mitschleppten samt Bier und Essbarem und sich einen Platz fürs Picknick am Flussufer suchten. Vielleicht waren sie nach Mitternacht in allen möglichen Clubs zu finden, Wroclaw soll ein reges Nachtleben haben.

 

abends an der Oder - Anklicken zum Vergrößern 

 

ein Sammelsurium zum Schluss - Anklicken zum Vergrößern

 

 

 

 

12| CZESTOCHOWA (Tschenstochau)

Auf dem Weg nach Kraków/Krakau machten wir in Czestochowa Station ohne zu ahnen, worauf wir überzeugte Atheisten uns da einlassen. Czestochowa mit seiner schwarzen Madonna gehört unter den katholischen Wallfahrtsorten Europas in eine Kategorie mit Lourdes in Frankreich und Fatima in Portugal, also an die Spitze. Jedes Jahr zieht es vor allem im Sommer 4 Mio Pilger in die Stadt, die beiden Parkplätze zwischen unserem Campingplatz und dem Kloster Jasna Góra waren in den 2 Tagen unseres Aufenthaltes rappelvoll mit Bussen aus allen vier Himmelsrichtungen.  

 

Polens Nachbarn schielten schon immer begehrlich auf das Land und fielen abwechselnd ein, um es ganz oder teilweise in Besitz zu nehmen. 1655 war die Belagerung durch die Schweden besonders schlimm, aber der Klosterberg Jasna Góra hielt den Angriffen stand. Dieser großartige Erfolg würde aber nicht den tapferen Männern zugeschrieben, die gegenüber den Schweden in verschwindender Minderheit kämpften und für die Verteidigung ihr Leben riskierten, sondern der Marienfigur des Klosters. Seitdem ist die sogenannte Schwarze Madonna mit Strichen wie Narben im Gesicht so etwas wie die Königin Polens und ein Symbol für die Einheit des Landes.

 

Auch unser Campingplatz Olenka bot eine Rezeptionistin, die bei unserer Ankunft sofort und mit Begeisterung  ihre Spanischkenntnisse von vor 22 Jahren aktivierte und versuchte mit Gabriel plaudern. Ich weiß nicht ob es daran lag, dass sie uns den Schlüssel für den Waschmaschinenraum aushändigte und ermunterte, so viel zu waschen wie wir wollen. Drei Maschinen voll waren es dann und das erste Mal, dass wir Leinen spannten zwischen Maggie und einem Zaunpfosten, auf denen die Wäsche bei Wind und Temperaturen um 35 °C ruckzuck trocknete.

 

 

Die meiste Zeit hatten wir einen großen Teil des Platzes für uns allein, jedenfalls nachdem die Gruppea aus13 holländischen Wohnmobilen ihn verlassen hatte. Unter ihnen eine Frau, die mit ihrem elektrischen Rollstuhl gut gelaunt von einem Womo zum anderen flitzte. Bis nach und nach neue Nachbarn eintrudelten, hätten wir uns in diversen Sanitärhäusern tummeln können, aber wir bevorzugen wann immer möglich Maggies Dusche und Toilette. 

 

 

Trotz der sengenden Hitze wollte ich mir die Klosteranlage anschauen, allein wegen der Architektur, aber der ganze Rummel drumherum schreckte mich dann doch ab. Außer Santiago de Compostela hatte ich ja noch nie einen Wallfahrtsort gesehen, und dort ging es nicht so jahrmarktmäßig zu. Eine Bude nach der anderen bot religiöse Souvenirs an, rund um die Parkplätze. Am Eingang zur Anlage mahnte ein mehrsprachiges Schild: "Jasna Góra ist ein heiliger Ort. Kommen Sie als Pilger". Was soll mir das sagen? Dass ich als normale Touristin nicht willkommen bin? 

 

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Die sympathische Angestellte in der Tourist-Information gab sich die größte Mühe, uns die Sehenswürdigkeiten der Stadt unabhängig von der katholischen Religion schmackhaft zu machen. Aber bei der Hitze waren wir zu kaum mehr in der Lage als einmal die Hauptstraße rauf und runter zu gehen. Die bot jede Menge Restaurants von Kebab über Pizza bis Sushi einheimische Küche sowie steinerne Tore, hinter denen sich entweder ein großer Hinterhof mit Werkstätten, Geschäften oder Bars/Restaurants verbarg oder eine in der Einfahrt endende Seitenstraße. Endlich hatten wir auch die Gelegenheit, in einem kleinen polnischen Supermarkt einzukaufen und staunten wieder einmal über die niedrigen Preise. 

 

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13| KRAKOW (Krakau)

In Krakow hatten wir ein wundervolles Erlebnis im Bus. Wir hatten damit gerechnet, dass wir wie in Wroclaw/Breslau mit der Karte zahlen können, aber weit gefehlt. Wie in Deutschland und anderen Ländern auch ist der Öffentliche Nahverkehr eine lokale Angelegenheit. An der Bushaltestelle für die Fahrt in die Stadt, ganz in der Nähe des Campingplatzes Clepardia, war ein Automat angebracht, der unseren 10-Zloty-Schein schluckte und brav Münzen als Wechselgeld herausgab.

 

Nicht so auf der Rückfahrt. Kein Automat an der Haltestelle, also rein in den vollen Bus ohne Ticket. Der kleine Kasten dort verwirrte uns, was eine Mitfahrerin bemerkte und uns half von der Spracheinstellung bis hin zum richtigen Ticket. Aber dann war Schluß, weil weder Karten- noch Geldscheinzahlung möglich war. Der Apparat schluckte Münzen, gab aber keine wieder heraus, sie mussten abgezählt sein. Hatten wir aber nicht passend im Geldbeutel. Verlegenes Hin und Her, bis eine junge Frau uns 2 Tickets schenkte! Sie und ihr Mann wollten partout kein Geld annehmen. Eine andere Polin bot uns 2 Münzen an für unseren 10er Schein, damit wir für weitere Fahrten gewappnet sind. 

 

Später sahen wir das junge polnische Paar auf unserem Campingplatz war, mit Motorrad und Zelt, und ich konnte ihnen aus unserem Vorrat eine Flasche spanischen Rotwein zukommen lassen, was sie lachend geschehen ließen.

 

Der Campingplatz (Kemping auf polnisch) Clepardia liegt ca. 4 km vom Zentrum entfernt, nah genug für die Fahrt mit dem Bus. Er ist ruhig und wir hatten einen tollen Platz im Vollschatten, gaaanz wichtig in diesen Tagen! Hier sahen wir zwei Extreme des mobilen Reisens. Einen riesigen knallroten Bus von Rotel-Tours, wo die Reisenden im Bus schlafen, aus dem Bus die Küche ziehen und vor dem Bus zusammen essen. Und neben uns 3 junge Männer, die aus ihrem kleinen Pkw 2 Hängematten holten und unter Anleitung eines Angestellten zwischen Bäume spannten. 2 schliefen in den Matten, der dritte darunter. Uns war klar: Maggie, du bist die beste!

 

 

hinter jedem dieser kleinen Fenster verbirgt sich eine Bettnische, unten links Küche und Vorräte
hinter jedem dieser kleinen Fenster verbirgt sich eine Bettnische, unten links Küche und Vorräte

 

Die Buslinien 164 und 169 fahren in die Stadt, wir stiegen an der Haltestelle Jubilat aus. Von dort ist es ein kurzer Weg zur Burg Wawel, fast ein kleines, in sich geschlossenes Viertel mit Schloss und Kirche. Gebaut wurde auf hohen Mauern über dem Fluss Wisla (Weichsel). Imponiert hat mir die Grö0e des Komplexes und die Mischung verschiedener Baustile vom frühen Mittelalter bis in die Neuzeit. Der Innenhof soll nach italienischem Vorbild gestaltet sein und weist alte Mauerreste auf, die nur noch den ehemaligen Grundriss kennzeichnen. 

 

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Von der Burg Wawel aus gelangt man schnell in die Altstadt. Auch in Krakau heißt der zentrale Platz Rynek (Ring) und zieht sich um das alte Rathaus herum. Wäre es uns nicht von einem Deutschen auf dem Campingplatz in Czestochowa empfohlen worden (Dankeschön Herr Unbekannt!), wir hätten den Eingang zum Untergeschoss übersehen. Dort befindet sich ein unterirdisches archäologisches Museum der modernen Art. Zwischen den uralten Mauern geht es multimediamäßig zu mit Videos, Nebelshow und vielsprachigen Erklärungen auf Flachbildschirmen zum selbsteinstellen. Und Mann darf ungehindert mit dem Hammer auf dem Meißel rumhauen. Ding Dong - Ding Dong schallt es durch die Hallen. Die niedrige Temperatur war nicht das Wichtigste, half aber sehr bei der Konzentration. 

 

 Die alte Universität von Krakau ist in ganz Europa beliebt für mindestens ein Erasmus-Semester, und das merkt man an der Vielfalt der Sprachen in den Straßen und an den unzähligen Lokalen für Studenten. Besonders gefiel uns der Grüngürtel um die Altstadt herum mit Müßiggängern und Menschen auf dem Arbeitsweg oder zu anderen Terminen, dazu jede Menge Radfahrer. Und immer wieder kleben Terrassenlokale an alten Mauern. In einem Lokal aßen wir und fühlten uns geneppt mit dem Hinweis auf der Rechnung, dass der Service nicht eingeschlossen sei. Was nicht heißt, das wir nicht gerne Trinkgeld geben, wenn wir zufrieden sind mit dem Service, und besonders gern in einem Land mit niedrigem Lohnniveau. 

 

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zum Abschluss alte und neue Türme vor blauem Himmel

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von Krakow über Tarnów, Lancut und Kazimierz Dolny nach Bialowieza

 

TARNÓW

fuhren wir nur deshalb an, weil Freunde uns das Restaurant im Hotel auf dem Camping Pod Jabloniami empfohlen hatten. Und wir wurden nicht enttäuscht, weder vom Platz noch vom Essen. Ich hatte endlich mal wieder Fisch (eine Forelle) auf dem Teller, Gabriel eine Entenbrust, und beides war genauso gut wie die Vorspeisen.   Auf dem Platz muss man aufpassen, dass man nicht direkt unter einem der Apfelbäume steht, die Früchtchen fallen sonst knallend aufs Dach. Auf dem Platz lernten einen jungen Polen aus Deutschland kennen, der von noch besseren Restaurants im Städtchen sprach. Und davon, dass wir in Litauen gut auf unsere Sachen aufpassen sollen.

 

Stellplatz mit Hotel-Restaurant unterm Apfelbaum
Stellplatz mit Hotel-Restaurant unterm Apfelbaum

 

Die Altstadt von Tarnów wurde gerade großflächig und aufwändig restauriert, vom Straßenbelag bis zum Rathausturm, und war entsprechend schwierig zu begehen. Der ganze Aufwand ist aber ein Beweis dafür, dass der Tourismus in Polen immer mehr an Bedeutung gewinnt, und entsprechend groß sind die Investitionen mit Hilfe aus Brüssel.

 

 

 

 

 

 

LANCUT 

wird uns wohl vor allem wegen des Campingplatzes in Erinnerung bleiben. Man sieht ihm nicht nur an, dass das Betreiberpaar hier richtig Geld investiert hat, sondern vor allem, dass die beiden täglich mit Herz und Händen daran arbeiten. Überdachte Picknicktische (wichtig vor allem für Gäste mit Zelt), geschmackvoll arrangierte Blumenkübel, ein super sauberes Sanitärhaus mit Seifenspendern (!) an den Waschbecken und eine vorbildliche Entsorgungsstation sowie Strom und Wasser an den Parzellen, alles wird liebevoll gepflegt und instandgehalten. Auf anderen Plätzen knurrt man mitunter, wenn noch jemand dazukommt, hier freuten wir uns über jeden Neuzugang in der Hoffnung, dass genug Geld reinkommt um die im vergangenen Jahr eröffnete Anlage zu erhalten.

 

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Der Ort selbst ist ganz hübsch, erschien mir irgendwie lässiger, offener als andere Städtchen in Polen, ohne viel mehr zu bieten als das größte Schloss des Landes. Dessen Kutschenmuseum wir wegen der Restaurierungsarbeiten leider nicht besichtigen konnten. 

 

Dafür sind wir mal wieder ausgiebiger mit dem Rad gefahren. An einem Tag sehr schön durch Feld und Flur, am anderen unter zuviel Sonne auf zuviel Asphalt. Und wir haben ein nettes Ehepaar kennengelernt, sie Polin und er Schweizer, mit denen wir zusammen im Ort ein gutes und preiswertes Mittagsmenü aßen und den letzten Abend gemeinsam vor unserer Hütte bei einem Glas Wein ausklingen ließen. 

 

das Schloss mit Synagoge und Orangerie liegt in einem großen Park
das Schloss mit Synagoge und Orangerie liegt in einem großen Park
ein schöner Weg fürs Fahrrad, teilweise parallel zu den Eisenbahnschienen
ein schöner Weg fürs Fahrrad, teilweise parallel zu den Eisenbahnschienen

 

 

Nach den heißen und trotzdem schönen Tagen in Lancut hatten wir eigentlich eine Nacht auf dem gemischten Parkplatz in Lublin verbringen wollen, aber die Innenstadt war in Bauarbeiten versunken. Wiir hatten wieder einmal das Vergnügen, uns aus allen Richtungen dem Ziel zu nähern ohne jemals wirklich anzukommen. Weil wir bei all der Kurverei durch die Stadt nichts sahen, was uns zum Bleiben verlockte, steuerten wir schließlich lieber einen Campingplatz in Kazimierz Dolny an, in ca. 50 km Entfernung. Aber dieser Tag war nicht unserer, an entscheidender Stelle wies auch die Landstraße mehr als nur eine Baustelle auf, allerdings ohne Umleitung. Stattdessen war der Zugang abgesperrt, und weder das Navi noch wir wussten, wie es weitergeht. Nachdem wir bei einem Wendemanöver auf einer holprigen und steinigen Sandstraße den Fahrradträger beschädigt hatten (Gottseidank nur ein bisschen), gaben wir einfach einen in der Nähe gelegenen Ort ein und siehe da, so landeten wir endlich in ...

 

 

 

 

KAZIMIERZ DOLNY 

... und fuhren an der Zufahrt zum Campingplatz vorbei. Ein Schild mit der Angabe von höchstens 2,5 t hinderte  uns daran. 3,5 t zu ignorieren haben wir ja schon gelernt, aber das war uns denn doch zu viel bzw. zu wenig. Irgendwann blieb uns nichts anderes übrig, als es zu riskieren, und die Einfahrt klappte. Meine Bemerkung über diese Beschränkung quittierte die freundliche junge Frau auf der Parkbank, die als Rezeption diente, mit einem lachenden Achselzucken. Auf dem Platz fühlten wahrscheinlich nicht nur wir uns wie auf dem Präsentierteller für die übrigen Gäste, weshalb ich kein einziges Foto davon gemacht habe. 

 

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14| BIALOWIEZA

Unser nächstes Ziel ist der letzte Urwald Europas in einem grenzübergreifenden Naturschutzgebiet in Polen und Weissrussland. Auf der gesamten Strecke kam uns kein einziges Wohnmobil entgegen. Schon auf der Fahrt vermitteln die kleinen Bauerndörfer mit ihren alten Holzhäusern immer mehr den Eindruck, in Russland zu sein. Es geht über schmale Landstraßen mit viel Lastwagenverkehr und Seitenwind, was ich als Fahrerin nicht immer lustig fand. Im Ort Bialowieza verfehlten wir wegen der schmalen Auffahrt fast den Campingplatz Michala, aus dessen Rezeption eine alte Frau mit krummem Rücken kam, die freundlich lächelte und mich sofort auf deutsch ansprach. Zunächst war unsere Maggie das einzige Wohnmobil neben einigen Zelten und einem Wohnwagen, später kam noch eines aus Österreich dazu und ein Van aus Deutschland.

 

der Camping Michala ist ein langgezogenes Grundstück hinterm Wohnhaus der Betreiberin
der Camping Michala ist ein langgezogenes Grundstück hinterm Wohnhaus der Betreiberin

 

Das Wahrzeichen des Nationalparks ist das Wisent (auch europäisches Bison genannt), und mit diesem Tier als Zeichnung, Holzrelief oder Skulptur wirbt fast jeder kommerzielle Betrieb im Ort. Im Nationalpark leben sie frei wie auch Wölfe, Rentiere u.a. Dazu gibt es ein Gehege, in dem die Besucher die Tiere unter halb-natürlichen Bedingungen sehen können. Oder auch nicht, wenn sie sich gerade im Unterholz oder wo auch immer verstecken. 

 

diese Lady (eine Elchkuh?) gefiel mir am besten. Ich hatte den Eindruck, sie hält uns alle für ziemlich blöd
diese Lady (eine Elchkuh?) gefiel mir am besten. Ich hatte den Eindruck, sie hält uns alle für ziemlich blöd

 

Das Dorf ist ganz auf den Nationalpark-Tourismus ausgerichtet. Wer ein Zimmer übrig hat vermietet es, und wer gar Zimmer mit eigenem Bad zur Verfügung stellt, schreibt dies in großen Lettern auf eine Tafel. Im Zentrum liegt ein Vier-Sterne-Hotel mit Spa und regionaler Küche im Restaurant, auf dem vollen Parkplatz sehen wir fast ausschließlich polnische Kennzeichen.

 

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In der Tourist-Information hatte uns von ein Angestellter eine Karte mit verschiedenen Fahrradtouren verkauft. Der nette Mann in Uniform ermahnte mich in sehr gutem Deutsch, auf keinen Fall vom Weg abzukommen und schon gar nicht die Grenze zu Weissrussland zu überqueren. Nicht versehentlich und schon gar nicht mit Absicht! 

 

Wir fuhren insgesamt 30 km durch nicht enden wollenden Wald, und das war nur ein sehr kleiner Teil des Nationalparks. Ab und an luden überdachte Picknickplätze zu einer Rast ein, und manchmal lag ein umgeknickter Baum im Weg, um den herum wir das Fahrrad schieben mussten. So ist das im Urwald: Niemand räumt etwas aus dem Weg, die Natur muss für sich selbst sorgen.. Und kann das augenscheinlich sehr gut. Was wir Unterholz nennen, hat hier mehr als Mannesgröße. An einigen Stellen kann man auf erhöhten Holzwegen mit dicken Seilen an den Seiten in den Wald hineingehen und hat vielleicht das Glück, ein wildes Tier zu sehen. Das letzte Stück fuhren wir auf der Straße zurück, durch ein kleines Dorf, in dem an jedem der bescheidenen Holzhäuser ein Hinweis auf Zimmervermietung war. Aber keiner auf Badezimmer.

 

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  eine schöne Naturwiese zwischen den Dörfern

 

 

 

 

 

15| AUGUSTÓW

So nah an der Grenze zu Weissrussland funktionierte unser Internet in Bialowieza nicht, und auch die Betreiberin des Campings dort lächelte nur verständnislos, als ich nach WiFi auf dem Gelände fragte. Von Movistar (Telefonica) in Spanien bekamen wir jeder eine Nachricht, dass eine SMS uns 1,21 € kostet, eine MMS 4,84 €, Internet 12,10 €/MB (!) und jeder Anruf nach Spanien 3,03 €/Min + 1,94 € für die Herstellung der Verbindung. So also sieht das Roaming aus, so bald man die Grenze der EU verlässt.

 

Aber soweit waren wir noch nicht, obwohl wir bedauerten kein Visum für Russland beantragt zu haben. Es hätte ermöglicht in die Provinz Kaliningrad einzureisen, das ehemalige Ostpreussen mit der Hauptstadt Königsberg, und von dort nach Litauen weiterzufahren. So wurde unsere letzte Station im Nordosten Polens der Kurort Augustów.

 

Auf dem Weg dorthin, nachdem wir Hajnowka passiert hatten, bestand die 685 nur noch aus Baustellen, und zwischen ihnen spürten Maggie und wir schmerzhaft deren Notwendigkeit im holter di polter über Schlaglöcher und altes Flickwerk im Asphalt. 

 

 

Durch kleine Dörfer fuhren wir, eines heisst Trześcianka und besteht ausschließlich aus Holzhäusern mit farbig bemalten Fensterläden. Auch an mehreren Holzkirchen kommen wir vorbei, angestrichen in Braun, Grün oder Blau. In manchen Dörfern gibt es zwei Kirchen, ich vermute eine katholische und eine orthodoxe. Leider können wir an keinem Punkt anhalten zum Fotografieren.

 

Im Dorf Zabludów zeigt der Kilometerzähler eine Schnapszahl an, Maggie ist in etwas mehr als drei Jahren schon 44.444 km gefahren.

 

Augustów hat 2 Möglichkeiten für Wohnmobile, an der Marina mit Restaurant und anderen Annehmlichkeiten oder den ruhigen Camping Necko auf der anderen Seite des Sees. Hier übernachten wir in Gesellschaft einiger Zelte und Wohnwagen, später kommen noch ein Womo aus Österreich und eines aus Finnland dazu. 

 

 

Augustów ist seit vielen Jahren einer der beliebtesten Kurorte Polens. An einem großen See gelegen soll das Wasser dort besonders heilsam sein. Auf einem langen Spaziergang kamen wir an Hotels mit Wellness- und Spa-Angeboten vorbei und an einem großen Sanatorium (heisst tatsächlich auch in Polen so). Wir begegneten zum ersten Mal in Polen Menschen mit Walking-Stöcken, vor allem ältere Frauen waren es. Die Terrassen der Restaurants und Cafés waren gut besucht, und in mehreren kleinen Parkanlagen lagen großzügige Kinderspielplätze. Elegante Paare mittleren Alters spazierten am Seeufer entlang und führten ihre teure Garderobe spazieren. Volle Parkplätze mit lokalen Autonummern ließen darauf schließen, dass auch die ambulante Angebote für Massagen etc. ihre Kundschaft finden.

Kurzum, es ging zu wie in deutschen Kurorten auch.

 

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In Augustów hieß es für uns vorläufig Abschied nehmen von Polen bis zur späteren Rückfahrt durch den Norden. Und für Gabriel bedeutete das die grobe Planung unserer Fahrt durch das Baltikum, beginnend mit Litauen.

 

 

Zwischen der Hinfahrt durch den Süden Polens und der Rückfahrt durch den Norden verbrachten wir einen Monat im Baltikum. Wer unserer Reise chronologisch folgen will, kann das hier tun.


NORDPOLEN

 

30| GOLDAP

Die Kleinstadt Goldap hat rein gar nichts mit dem Edelmetall zu tun, sondern ihren Namen von dem Fluss Goldapa erhalten. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gegründet, konnten die Einwohner auch gar nicht zu viel Gold kommen, weil sie in regelmäßigen Abständen durch heftige Feuersbrünste Haus und Hof verloren und im 18. Jahrhundert sowieso von der Pest fast ausgerottet wurden. Den Gipfel der Zerstörung erlebte Goldap am Ende des Zweiten Weltkrieges, als nach wochenlangen Kämpfen zwischen Deutschen und Russen 90 % der Stadt in Schutt und Asche lagen. 

Die Grenze zur Oblast Kaliningrad, dem ehemaligen Ostpreußen, zieht sich nur wenige Kilometer entfernt durch den Wald.

 

 

Und so fahren wir heute durch den in Jahrhunderten gebeutelten Ort und finden außer dem restaurierten alten Wasserturm und den Kirchen kein historisches Gebäude mehr vor. Die Innenstadt um den großen Rynek Miejski (Markplatz) herum ist nicht höher als maximal zweigeschossig, modern und lebendig mit vielen Geschäften, Grünanlage und Springbrunnen.

 

Dieser Wasserturm zeigt auf jedem Stockwerk eine kleine Themenausstellung, beherbergt in den beiden obersten Stockwerken ein Café und verfügt vor allem über einen Fahrstuhl. Ohne den hätte ich mich verweigert, mir saßen noch die Treppen der Düne auf der Kurischen Nehrung in den Knochen. 

 

 

 

                Von oben gibt es einen tollen Rumdumblick - Anklicken zum Vergrößern

 

In den vergangenen Jahren haben wir sie tunlichst gemieden, aber auf dieser Reise werden wir noch zu Campingplatz-Experten. Der Platz in Goldap liegt an einem kleinen See in einer Art Naherholungsgebiet mit vielen Sportmöglichkeiten, einem 4-Sterne-Hotel und Trimmdichpfad am Straßenrand. An dieser Verbindungsstraße zur Stadt stehen einige imposante Villen hinter noch imposanteren Balustraden

 

Und er bietet uns ein wunderbar anschauliche Studien über Gruppenverhalten, hier Generationen übergreifend. Nach einem schönen Sonnentag mit Baden im See gibt es ein kurzes Gewitter mit Regenboden, danach liegt wieder Ruhe über dem Platz. Bis weißhaarige Paar in schwarzer Ledermontur auf seinem Motorrad herangeknattert kommt. So eines, auf dem der  Mann breitbeinig sitzt und sie dahinter, und bei dem auch die Lenkstange nur mit weit ausgebreiteten Armen bedient werden kann. Wo kein Chrom glitzert, da glänzt es rot. Routiniert bauen sie ihr Zelt auf, und niemand würde ihnen dabei zusehen, wenn er nicht den Motor noch volle Pulle laufen lassen würde, damit sie im Scheinwerferlicht das Zeltinnere herrichten kann. Gefühlte 10 Minuten lang. 

 

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Im ersten Dämmerlicht dann folgt der Einzug von 4 oder 5 jungen Männern, so um die 18. Sie schmeißen ihre Rucksäcke ins Gras und packen drei Zelte aus. Die sind so exakt gefaltet, dass sie neu sein müssen. Sind sie auch, und die Jungs ganz offensichtlich neu im Zelten. Einer studiert ein DIN-A-4-Blatt, das muss die Gebrauchsanweisung sein, schüttelt den Kopf und faltet es wieder zusammen. Ein anderer klappert mit Metallstangen, schafft es aber nicht, sie ineinander zu stecken. Der Dritte entblättert mit kühnem Schwung ein Zelt, bis es wie eine Plastikplane auf dem Boden liegt, und betrachtet es nachdenklich von oben. Alle haben sie zwischendrin die Hände in den Hosentaschen.

 

Der Letzte ist wohl der cleverste, denn er guckt sich kurz um, zieht die Hände aus den Taschen und wendet sich an einen der zahlreichen Zuschauer, wohl doppelt so alt wie er. Der zögert nicht und hat in fünf Minuten zusammen mit seinem Kumpel das erste Zelt aufgebaut. Jetzt kommt das Motorradpaar dazu, die die Großeltern der Jungen sein könnten, baut das zweite auf und hilft auch noch beim dritten. So haben die jungen Leute ohne viel eigenen Aufwand ein Dach über Kopf, bevor der nächtliche Prasselregen beginnt, der bis zum Vormittag andauern wird. Und die Alten das beruhigende Gefühl noch gebraucht zu werden. 

 

Wir werden nie erfahren, ob diese erste Zeltnacht die Jungs abgeschreckt oder abgehärtet hat.

 

 

 

 

 

SUWALKI (Suwalken)

In Suwalki übernachten wir auf einem Campingplatz, der eher einem Wohnmobilstellplatz gleicht, mit sehr großen Parzellen, allem Komfort und nah an der Stadt. Für deren Besuch muss man nur ein bisschen um den See herum gehen, wie in fast jeder Stadt Masurens. Schon jetzt frage ich nicht mehr nach den Namen der Gewässer, an denen sich Kleinstädte und Dörfer vor vielen hundert Jahren angesiedelt haben. Ich finde es einfach nur schön, und Gabriel aus dem trockenen Spanien kommt aus dem Staunen über diesen Reichtum an Wasser nicht mehr heraus.

 

Viele der Seen wie der in Suwalki verfügen über einen natürlichen oder auch künstlich angelegten kleinen Strand, an dem wir die schlichten und praktischen Umkleidekabinen wiederfinden, die wir an den Ostseestränden der baltischen Staaten kennengelernt haben. Meist sind sie aus Holz gezimmert, manchmal die Wände in Kunststoff gegossen oder aus Metall verschweisst. Der Grundriss ist immer derselbe mit offenem Eingang, danach geht es einmal um die Ecke, und schon kann man sich geschützt vor Blicken umziehen. Unten gucken die Füße raus und oben je nach Körpergröße die Köpfe, so wissen die Leute draußen, dass besetzt ist. 

 

In Suwalki suchen wir ein Lebensmittelgeschäft und müssen ganz schön tippeln, bis wir eines finden. Wir sehen nichts Spektakuläres, aber ein angenehm lässiges Treiben in den Straßen der Innenstadt. Einige Nebenstraßen sind Fußgängerzone, hier haben sich etliche Restaurants installiert, die mit blumengeschmückten Terrassen locken. 

 

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MIKOLAJKI (Nikolaiken) bzw. TALTY

Unser Besuch in Mikolajk oder besser unser Nicht-Besuch dort zeigt, dass Spontaneität auf Wohnmobil-Reisen  immer noch möglich sein kann. Liebe Menschen hatten uns einen Stellplatz mitten im Ort empfohlen, auf dem andere freundliche Menschen sogar für uns auseinander rücken wollen, damit Maggie sich noch dazwischen quetschen kann. Nur ist uns schon auf dem Weg dorthin der Trubel auf den Straßen auf den Geist gegangen, weshalb wir uns ebenso freundlich bedanken und wenige Kilometer weiterfahren nach Talty (Talten) zu einem 4-Sterne-Camping.

 

An diesem Samstag haben wir sogar das Glück eines freien Platzes, zu dem die freundliche Betreiberin mich führt. Nur muss Maggie dafür einen schmalen und kurvenreichen Weg hinaufschleichen, vorbei am prallen Campingleben. Es tut mir leid um die Bequemlichkeit, ein Restaurant am Platz zu haben, aber Gabriel ist schon ein Grundstück weiter und stellt Maggie ab auf einem grünen Feld mit Zelt-Nachbarn in weiter Ferne. 

 

Irgendwo habe ich kürzlich gelesen, dass in Masuren dieser Tage jeder, der über ein großes Grundstück verfügt, dieses zum Campingplatz erklärt und sich so einen Nebenverdienst erhofft. Unsere Wahl scheint so ein Fall zu sein, aber wir sind hier glücklich und zufrieden und schauen ohne Neid auf das muntere Treiben hinterm Zaun auf dem "richtigen" Campingplatz. 

 

 

unsere spontane Wahl, für eine Nacht völlig okay, liegt direkt hinter dem großen Campingplatz in Talty. Der Betreiber spricht deutsch

 

Deshalb haben wir anstatt Mikolajki das Dörfchen Talty kennengelernt mit seinem Minihafen am See, der kleinen Kapelle am Ufer und einem Gedenkstein für die Deutschen Soldaten aus dem Ort, die im 1. Weltkrieg gefallen sind. Gesponsert von einem Polen!!!

 

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31| Ruska Wies bei MRAGOWO (SENSBURG)

Paradise now zum Dritten: So langsam fange ich an es zu begreifen. Das Paradies kann überall sein. Vor allem ist es heute! Die Welt war nicht gestern am schönsten und wird auch morgen nicht schöner sein. Zuerst fanden wir das Paradies in Dänemark, danach in 20| Litauen und jetzt liege es in der Nähe von Mragowo. In einem dieser kleinen Dörfer ohne Zentrum, ohne Bar oder Supermarkt, ohne Marktplatz und sogar ohne Kirche. Ein Kaff, in dem alle Straßen den Ortsnamen tragen mit den folgenden Hausnummern tragen. Ein großer Bauernhof, ein Agrotourismus-Hotel, ein paar neue Häuser und ein paar verfallende alte. 

 

Für uns, die wir gesund sind und zur Zeit frei von wirklichen Problemen, müssen für das Paradies nur wenige Dinge zusammenkommen. Das scheint die Natur zu sein, Ruhe, Langsamkeit, Nichtstun oder die Erledigung alltäglicher Dinge wie  Wäschetrocknen in der Sonne oder Basteleien am Wohnmobil.  Mragowo haben wir genauso wenig kennengelernt wie Mikolajki, weil wir uns in den zwei Tagen auf unserem Platz in Ruska Wies bei der Pension Seeblick außer für einen kleinen Spaziergang und eine Fahrt mit dem Kanu über den See nicht vom Fleck gerührt haben. 

 

Diesen Campingplatz finden wir perfekt. Das Gelände ist so groß, dass sich jeder hinstellen kann wo er will und wie sie will. Von der Pension ziehen sich Terrassen zum See hinunter, auf denen mehr als genügend Stationen die Camper mit Strom und Wasser versorgen. Hier hat jeder seinen persönlichen Seeblick und kann sich unbesorgt ausbreiten. Wer will, kann eines der kleinen Boote losmachen und in See stechen, gratis und auf eigene Verantwortung.

 

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Das Gelände ist so groß, dass man darauf einen Spaziergang machen kann, mit einem Hügel für den großen Rundblick. Auf dem Spielplatz finden wir einen Ball und spielen allen Ernstes Fußball, das heißt ich laufe dem Ball hinterher. Der See hat auch eine kleine Badestelle, bei der sich niemand um den Nachweis der Wasserqualität schert wie an den anderen Seen auch. 

 

Zwischen uns und dem See liegt ein kleiner Teich, von dem aus die Frösche uns hüpfend und quakend begrüßen. Nachdem wir ihnen wohl eine Stunde beim Quaken zugehört haben, bilden wir uns ein, ihre Stimmen unterscheiden zu können. Fehlt bloß noch, dass wir sie nachahmen ;-))

 

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KUDYBY (Kuhdiebs) bei MORAG (Mohrungen) 

Meine familiären Wurzeln liegen mütterlicherseits in Ostpreußen, heute Kaliningrad. Vielleicht werden wir in einem anderen Jahr auch dorthin fahren, weil es seit dem 1. Juli d.J. eine sehr vereinfachte Möglichkeit für ein Visum für den Besuch dort gibt. Man kann das Visum bis spätestens 4 Tage vor Grenzüberquerung im Internet beantragen für höchstens 8 Tage Aufenthalt ausschließlich in der Region (Oblast) Kaliningrad, und das sogar kostenlos. Jetzt kommt diese digitale Möglichkeit für uns zu spät, weil unsere Krankenversicherung nur für die Länder der EU gilt und wir auch sonst nicht darauf vorbereitet sind. 

 

Den väterlichen Spuren kann ich in Polen folgen und wollte auch zum Geburtsort Kulsen (Kulsze) meines Vaters fahren. Leider kam ich Trottel zu spät auf die Idee nachzuschauen, wo genau dieses Dorf liegt. Nur ca. 25 km von Goldap entfernt, aber da waren wir schon längst nicht mehr dort. Eine echte Anna-Glanzleistung, zumal ich Wochen vorher bei einer Cousine nach dem polnischen Ortsnamen gefragt hatte.  Andererseits auch nicht weiter schlimm, ich habe ja die Atmosphäre der Landschaft geschnuppert. Und ein Video von einen EU-Aufseher über eine Fahrt u.a. vorbei an Kulsen gesehen. Wen es interessiert, nach 6 Minuten kommt das Ortsschild und man sieht, dass die Häuser zum Teil renoviert sind.

 

Ein anderer Wohnort der Familie meines Vaters war Kuhdiebs (was für ein klasse Name für ein Bauerndorf!) unweit der Kreisstadt Mohrungen, heute Kudyby und Morag. Sowohl das Navi als auch Google Maps zeigen ausschließlich ein Kudyby in der Nähe von Olsztyn (Allenstein) an, aber keines Nähe Morag. Wir sind trotzdem hingefahren, auf einen Parkplatz am Ende von Morag, und plötzlich kannte Google Maps auch dieses kleine Dorf.

 

Hier der Beweis, das Kuhdiebs/Kudyby existiert - Anklicken zum Vergrößern 

 

Auch Morag wurde im Krieg weitgehend zerstört. Wenn ich heute durch diese kleinen Dörfer oder Städte in Polen gehe, muss ich manchmal daran denken, dass nicht nur die deutsche Zivilbevölkerung floh oder nach Kriegsende vertrieben wurde, sondern auch die Polen sich nicht alle aus freien Stücken hier angesiedelt haben. Auch sie waren Entwurzelte in vollkommen zerstörten Orten ohne jegliche Infrastruktur. Das alte Rathaus in Morag wurde mit Hilfe deutscher Flüchtlinge aus Mohrungen wieder aufgebaut, auch der alte Wasserturm ist renoviert und beherbergt zur Zeit eine Eisdiele. Fast alle anderen Gebäude sind nach dem Krieg oder erst nach der Wende entstanden.

 

Die 8 bis 9 km nach Kudyby fahren wir mit dem Rad, erst auf gemischten Rad-Fußgängerwegen durch die kleine Stadt, in der wir staunen über Rossmann und Mediamarkt, danach durch eine wunderschöne Allee, die sich einige Kilometer lang zieht und gut asphaltiert ist. Wir kommen vorbei an neuen Einfamilienhäusern und größeren Villen und finden am Ende nur noch wenige Gebäude im Dorf vor.  Jetzt habe ich eine Vorstellung davon, wie mein Vater und seine Geschwister den Schulweg zum Gymnasium in Mohrungen bewältigt haben bei Wind und Wetter, mit dem Fahrrad oder zu Fuß. 

 

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so viele Störche verabschieden uns, wie schön
so viele Störche verabschieden uns, wie schön

 

 

 

 

32| ELBLAG (Elbing)

Nach soviel Natur ist uns mal wieder nach Stadt und wir machen Halt in Elblag. Am gleichnamigen Fluss liegt der Camping Nr. 61, von hier aus sind es nur wenige hundert Meter zur wieder aufgebauten Altstadt. Wir haben Glück und können uns einen guten Platz mit Blick auf den Fluss aussuchen, nach unserer Ankunft  füllt es sich mächtig in den 2 Tagen unseres Aufenthaltes. 

 

 

 Fußgängerbrücke, die sich zur Durchfahrt größerer Schiffe teilt und zu beiden Seiten hebt

 

Nur ein paar hundert Meter sind es in die Innenstadt, vorbei am Archäologisch-Historischen Museum. Von außen ein relativ unscheinbarer weiß gestrichener Bau, an den sich ein großer Innenhof und daran ein zweites Gebäude anschließt. Leider stehe ich eine halbe Stunde vor Schließung in der Tür und es lohnt sich nicht mehr einzutreten.  Was ich beim nächsten Besuch ganz bestimmt nachholen werde, weil andere Besucher mir begeistert von der Multimedia-Präsentation im Inneren erzählen, die auch die Schicksale deutscher Familien aus dem ehemaligen Elbing einschließt.

Kurz hinter dem Museum biegen wir um die Ecke und sind auch schon in der restaurierten Altstadt. Von fast jedem Punkt ist der Turm der Nikolaikirche zu sehen, schlank und spitz und 366 (!) Treppenstufen hoch bis zur Aussichtsplattform.

 

 

Wir ziehen einen Rundgang zu ebener Erde vor und erfreuen uns am Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Häuser. Obwohl oder vielleicht gerade weil den meisten Gebäuden anzusehen ist, dass sie keine haargenauen Nachbildungen sind, formen sie ein in sich stimmiges Bild, sind hell und modern in alten Formen.

 

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Bei der städtischen Kunstförderung haben Skulpturen seit Jahrzehnten einen besonderen Stellenwert. Ich folge einigen auf ihrem Weg durch Stadt, bei denen augenscheinlich nur das Material Metall die Vorgabe war. Nicht nur Kunstkenner werden mein eingeschmuggeltes Objekt erkennen ...

 

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Zum Schluss drei langgezogene Ansichten, die uns beim Stadtbummel auf unterschiedliche Art beeindrucken:

 

1. Blick vom Innenhof der Galerie El auf Ruinen und ein brachliegendes Nebengebäude. Die Galerie ist in einer ehemaligen Kirche untergebracht und zeigt moderne polnische Kunst, ohne dass das historische Gewölbe mit seinen alten religiösen Reliefs an visueller Macht verliert. Ein tolles Wechselspiel. Lichte Metalltreppen oder wahlweise ein Aufzug führen auf die drei Ausstellungsflächen, die nur einen kleinen Teil der Grundfläche in Anspruch nehmen. 

 

2. Friedlicher Aufmarsch des Militärs am katholischen Feiertag (Mariä Himmelfahrt) mit Präsentation verschiedener Waffensysteme. Junge Männer und auch Kinder posieren mit großen Gewehren und finsterem Blick vor den Kameras ihrer Freundinnen und Mütter. Ein sonderbares Bild am sonnigen Nachmittag.

 

3. Mut zu Form und Farbe bei der Fassadengestaltung.

 

 

 

 

 

MALBORK (Marienburg)

Die im 13. und 14. Jahrhundert vom Deutschorden erbaute Marienburg gab und gibt ihren Namen dem Ort, der durch sie entstanden ist und wohl zum Teil von ihr lebt. Sie gilt als der größte Bau aus der Zeit der Backsteingotik und dominiert mit Wucht das Ufer gegenüber vom Campingplatz.

 

 

Für die Besichtigung der Burg mit Ausstellungsräumen und Bibliothek werden auf der Webseite drei Stunden als Richtwert angegeben. Ich gebe zu, wir begnügten uns mit einem Rundgang durch die Außenanlagen, und der hat schon über eine Stunde gedauert und war beeindruckend genug. Für uns war die Schlange an der Kasse zu lang, das Getümmel auf den Gängen zu viel und das Interesse am Innenleben der Burg zu gering. 

 

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Hinzu kommt der Frust darüber, dass das Restaurant Lancelot, in dem wir essen wollten, wegen einer privaten Feier fürs gewöhnliche Volk geschlossen hat. Mit knurrendem Magen suchen wir das Bistro Na Fali über dem Campingplatz auf und sind positiv überrascht von der Küche dort. Und sie scheint in der Umgebung zu sein, dann die große Terrasse mit Spielplatz für Kinder füllt sich am Sonntagmittag rasch mit polnischen Familien. Im Gegensatz zur Webseite ist die Speisekarte auch auf Englisch. Wir teilten uns Carpaccio von Roter Beete, danach gab es als Hauptspeise Confit von Entenbrust und Hirschbällchen. Hier kann man gut und preiswert essen.

 

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33| GDANSK (Danzig)

Nach dem Besuch der Hauptstädte Vilnius, Riga und Tallinn, die jede einen anderen Reiz hat, ist Danzig für mich ein Traum fürs Auge! Ich könnte jedes einzelne Haus der Altstadt fotografieren, kann mich nicht sattsehen an Fassadenmalerei, Giebeln mit reicher Stuckverzierung und Reliefs in Himmelhöhe. Aber zuerst müssen wir unseren Stellplatz in der Technischen Hochschule finden, was wegen mehrerer Baustellen schwierig bis unmöglich ist. Immerhin kann ich so von der Höhe meines Womo-Beifahrersitzes aus den schönen Bahnhof fotografieren

 

Nachdem wir mehrfach durchs Zentrum gekurvt sind, entscheiden wir uns für Plan B, den Campingplatz ein paar Kilometer außerhalb. Ziemlich voll und ziemlich eng, aber gut organisiert mit hilfsbereitem älterem Betreiberpaar, und nah sowohl zum breiten Strand als auch zur Bushaltestelle in die Stadt.

 

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Im Gegensatz zu Elblag wurden die meist schmalen Giebelhäuser in Gdansk minutiös nach alten Plänen wiederaufgebaut und tragen sogar zum Teil die ehemals deutschen  Aufschriften. "Fischhandel" steht in großen Buchstaben auf einem gelben Haus am Hafen. Der Blick nach oben lohnt sich, jedenfalls für gesunde Halswirbelsäulen, weil gerade der Giebelschmuck oft prall und üppig ist.

 

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Am Hafen flanieren wir auf der alten, restaurierten Seite mit ihren Souvenirbuden und fliegenden Bernsteinverkäufern und haben von dort einen guten Blick aufs andere Ufer, wo eine moderne Architektur Fuß gefasst hat. Sie hebt sich ab von alten Baumaterialien und Detailverliebtheit und passt sich an in Form und Größe.  Für mich sehr gelungen.

 

 

Ein Bernsteinmitbringsel als Geburtstagsgeschenk kaufen wir nach Abklappern wohl aller Juweliere und vielen Vergleichen in der ul. (Straße) Mariacka, in der auf beiden Seiten mit nichts anderem gehandelt wird. Ich frage den Inhaber nach einem Restaurant wenigstens ein ganz klein wenig außerhalb des dicksten Touristenstroms und er empfiehlt uns das Restaurant Gdanska am Zeughaus. Ein Klassiker mit überbordender alter Dekoration, in dem schon Lech Walesa als President gern speiste. Dementsprechend hochkarätig sind die fotografierten Gäste an der Wand, und die Speisekarte preist seine Lieblingsgerichte an. Für polnische Verhältnisse hochpreisig, aber für Gäste aus Deutschland oder Mallorca sind der erstklassige Service und die hervorragende Küche alles andere als teuer. Wir haben es genossen!

 

34| PUCK (Putzig)

Eine Lanze brechen für Puck! Allein dieser Name, und dann wie wir hinfanden. Eigentlich hatten wir Wladyslawowo (Großendorf) als nächstes Ziel ausgesucht, aber genauso wie beim Hineinfahren in Danzig haben wir enorme Schwierigkeiten wieder herauszukommen - und geben mal wieder den Baustellen die Schuld. Bis Gabriel entnervt rechts ranfährt, versehentlich vor eine private Auffahrt. Prompt kommt ein drahtiger Mann mit nacktem Oberkörper heraus und klopft energisch an mein Fenster. Ich fürchte Schlimmes, aber was will er? Uns helfen! Ob wir ein Problem haben, er selbst sei Lastwagenfahrer. Alles auf polnisch, aber trotzdem für uns verständlich. Als er das spanische Nummernschild sieht, hat Maggie sein Herz gewonnen. "Viva España" ruft er lachend aus und erzählt, dass er schon viele Fahrten nach Andalusien gemacht hat.

 

Bald kommt sein erwachsener Sohn dazu und erklärt uns auf englisch, dass sein Vater jetzt eine Tour hat und für uns den Piloten macht, bis wir auf der richtigen Straße sind. So kommt es, dass wir einer Fuhre Gurken hinterherfahren, bis wir aus der Stadt heraus und auf dem richtigen Weg sind. Leider kann ich die Flasche Rotwein nicht überreichen, unser netter Wegweiser winkt lachend und fährt rechts ab. Und wir nach Puck, und das auch nur, weil mir auf der Karte der Name aufgefallen ist und der Ort noch vor Wladyslawowo liegt. Wir haben Glück mit einem entspannten  Urlaubsort ohne viel Remmidemmi mit kleinem Hafen, Strand und Häusern aller Preisklassen, die Zimmer oder Apartments vermieten. Übernachten können wir auf einem Parkplatz am Sportzentrum, es gibt aber auch einen kleinen Campingplatz.

 

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Mit dem Rad fahren wir auf einem schönen Weg doch noch die ungefähr 10 km nach Wladyslawowo, um von dort auf die Halbinsel Hela (Putziger Nehrung) zu gelangen. Wir  wollen nach Chalupy, halten aber nur etwa 5 km durch, dann haben wir die Schnauze. Wir sind entnervt zwischen pfeifendem Zug und Autostau links, wuseligem Getümmel auf dem gemischten Fußgänger- und Fahrradweg, den Campingplätzen rechts, auf denen man kein Grün zwischen den Zelten und Wohnwagen ausmachen kann und mit überquellenden Souvenirständen in den Einfahrten. Alles ist zu eng und zu voll und wir wollen nur noch möglichst heil zurück in unser kleines putziges Puck. Dort drehen wir noch eine Runde auf dem großen Rynek (Marktplatz), die Terrassen der Restaurants sind gut belegt. Und verbringen eine ruhige Nacht zwischen Sportplatz und Kindergarten, bis uns am Morgen um acht der Straßenkehrwagen weckt.

 

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LEBA

Schwamm über den Ort Leba. Zumindest während der Hochsaison, wenn er von Touristen überquillt, es eng, laut und kreischend bunt ist.

Wir bleiben nur wegen der berühmten Wanderdüne Lacka Gora (Lontzkedüne)  eine Nacht auf dem Camping Morski 21. Der Platz ist  voll, gut organisiert und wird mit hohem Personalaufwand stark kontrolliert. Sie werden ihre Gründe haben. Den Waschmaschinenraum darf ich nur nach Bezahlung betreten und zusammen mit einer Angestellten, die mir eine Uhrzeit mitgibt, wann ich die trockene (!) Wäsche wieder abholen soll. Hat geklappt.

 

Mit dem Fahrrad sind es zur Düne etwas über 7 km auf einem guten Weg durch den Wald. Außer zu Fuß kann man auch mit einem viel gebuchten Shuttle-Service fahren. Wie auch immer man an ihren Fuß gelangt, der Aufstieg durch den tiefen Sand auf die Düne lohnt sich allemal und wird belohnt mit einem wüstengleichen Anblick. Die Düne soll sich bis zu 10 m im Jahr in Richtung Osten bewegen und begräbt unter sich alles, was sich ihr in den Weg stellt. Ein ganzes Dorf ist ihr schon zum Opfer gefallen, und auf abgestorbenen Wurzeln ragt manches Baumskelett aus dem Sand. Aus superfeinem weißen Sand, der so unschuldig an spielende Kinder erinnert.

 

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ZELAZO

Auf den Reiterhof Gaza Pod Lasem in Zelazo am Rand des Naturparks Slowinski wollen wir nach dem Trubel in Leba der Ruhe wegen. Wir fahren durch wunderschöne Alleen, deren Straßenbelag immer schlechter wird und auf den letzten 800 m ganz aufhört. Ein von Bäumen und Büschen umschlossener Sandweg führt auf den Hof, Zweige streichen seitlich und oben an Maggies Wänden entlang und hinterlassen glücklicherweise keine Kratzer. Auf dem Hof ist es tatsächlich ruhig, und Pferde gibt es auch. Über das, was mir die Betreiberin als Sanitärgebäude vorstellt, schweige ich lieber. Ein Witz, wenn es nicht so rostig wäre. Für uns egal, wir haben ja unsere eigene Dusche, und in dieser Abgeschiedenheit wollen wir nichts außer grillen auf unseren 90. Reisetag anstoßen. 

 

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35|DARLOWO 

(Rügenwalde)

Wir entscheiden uns für den Camper Park in Koban, einem kleinen Nest ungefähr 5 km von Darlowo entfernt. Hier gibt es sogar einen SKLEP (Tante-Emma-Laden) und eine kleine Bar mit 2 oder 3 einfachen Holztischen und Bänken vorm Haus. Ruhig geht es zu im Ort, und auf dem Platz blicken wir über Felder und Strom-Windmühlen Hinweg auf die Ostsee. Die Sanitäranlagen sollen sehr einfach sein, aber wir haben ja unsere eigenen.

 

Das Meer ist zwar nur ca. 500 m entfernt, auch der Koban-See liegt nah, trotzdem sollte man nicht versuchen zu Fuß an den Strand zu gelangen, es sind über 2 km. Mit dem Fahrrad kein Problem.  Sowieso ist der Camper Park ein guter Ausgangspunkt für Fahrradtouren. Auf einem etwas holprigen Weg entlang der Ostsee, zu den Badeorten  Darlowko (Rügenwalde Münde) oder Wiecie am östlichen Ufer des Hoban-Sees oder in die Stadt Darlowo.

 

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Die Kleinstadt Darlowo wirbt auf ihrer Webseite auch auf Deutsch, mit Rügenwälder Teewurst! Sie ist auf jeden Fall einen Abstecher wert und gut mit dem Fahrrad zu erreichen. Wir finden schnell heraus, dass das Residenzschloss der Herzöge besonders gut von der Terrasse der Pizzeria Pinocchio aus zu sehen ist, und neben dem Kulturgenuss füllt sich der Magen mit Pizza und Bier, gut und preiswert wie so oft in Polen. Die Speisekarte gibt es auch auf Deutsch.

 

Mit dem Bau des Schlosses wurde Mitte des 14. Jahrhunderts begonnen. Besitzer war der 1459 verstorbene pommersche Herzog und König von Dänemark Erich VII, er wurde in den noblen Gemächern geboren und verbrachte die letzten Jahre seines Lebens darin. Im 17. Jahrhundert brannte es ab, wurde wieder aufgebaut und gleichzeitig modernisiert und überstand den 2. Weltkrieg so gut wie unbeschadet. Seit vielen Jahrzehnten beherbergt es das pommersche Regionalmuseum. 

 

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Rügenwalde hatte Glück im Unglück und wurde im letzten Krieg relativ wenig zerstört. Der Unterschied zum vergleichbar großen Morag (Mohrungen) in Masuren ist auffällig. Dort wurden fast alle Häuser zerstört und mussten von den neu zugezogenen polnischen Bewohnern schnell neu gebaut werden. Heute fehlen offensichtlich die Mittel um diese jetzt wieder veralteten und baufälligen Häuser instandzuhalten oder abzureißen, zu renovieren und zu modernisieren. 

 

In Darlowo hingegen sind nicht nur der Rynek mit dem Rathaus und der dahinter liegenden Marienkirche und das Schloss schmuck anzuschauen, auch die Fussgängerzone und kleine Nebenstraßen laden ein mit einem regem Geschäftsleben. 

 

 

 

 

36| SZCZECIN (Stettin)

"Stettin lohnt sich nicht, in einem halben Tag sind Sie damit durch". Gleich nach unserer Ankunft hören wir diesen Satz von anderen Wohnmobilreisenden und nur eine Stunde später ein zweites Mal fast wortgleich im Restaurant Tawerna des Camping Marina. Auf dem Platz überwiegen mal wieder haushoch die deutschen Kennzeichen.

 

Erstens ist das Restaurant preiswert und gut  und zweitens verbrachten wir einen kompletten Tag in der Stadt und haben es nicht bereut. Abgesehen davon bietet schon der Campingplatz mit seiner Zugehörigkeit zum Sporthafen Segelboote fürs Auge, Surfbretter und Motorboote für Wassersportler und einen Sonnenuntergang vom Feinsten für Romantiker.

 

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Es stimmt, Stettin hat nicht diese zusammenhängende und außergewöhnlich schön restaurierte Altstadt von Danzig, nicht den jugendlichen Charme der uralten Universitätsstadt Krakau und nicht so viel leuchtendes Gold an den Gebäuden der katholischen Kirche in Breslau. Die noch vorhandenen oder wieder aufgebauten Zeugen vergangener Zeiten liegen verstreut und können nur auf einem längeren Rundgang abgeklappert werden. 

 

Aber wir finden die Stadt großzügig mit flüssigem Verkehr auf mehrspurigen Straßen in der Innenstadt, mit viel Grün und offensichtlich florierendem Wirtschaft- und Geschäftsleben. Und finden im Einkaufszentrum Galaxy neben allen gängigen Marken endlich ein Kleid für mich von einem polnischen Label, ein sehr gut ausgestattetes Fotogeschäft und die besten und saubersten Waschräume, die wir je an einem öffentlichen Ort gesehen haben. Mit farbigen Polstern aus weißen Bänken in der Wartezone, warmem Wasser, das ohne umständliches Regulieren soforr aus dem Hahn fließt und einem zusätzlichen, auf Kinderhöhe abgesenkten Waschbecken. 

 

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Die Sehenswürdigkeiten von Stettin sind eingebettet in das tägliche Leben der Stadt, nicht so schön zur Schau gestellt wie andernorts. Das Schloss hat keinen Freiraum, keinen Park oder breiten Graben um sich herum, die Jacobikirche ist umzingelt von Verkehr und Verkehrszeichen und das alte Rathaus blickt derzeit auf eine Riesenbaustelle. 

 

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Über der berühmten Hakenterrasse liegt das Woiwodschaftsamt (vielleicht vergleichbar mit dem Landratsamt), und vor ihr das Restaurant Christopher Columbus, das uns mit einer wunderbar schmackhaften und reichhaltigen Fischsuppe überrascht. Unter der Hakenterrasse fließt die Oder und ganz in der Nähe viel Verkehr durch sich über- und untereinander schlängelnde Straßen. Das knappt über hunderjährige Ensemble aus Sandstein schlägt übrigens keine Haken, sondern wurde nach dem damaligen Bürgermeister Hermann Haken benannt. 

 

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Stettin ist unsere letzte Station in Polen und für uns ganz sicher mindestens einen Tagesaufenthalt wert. Wir sehen auch das alte Rathaus mit seiner Fassade ohne Raum dahinter, das Haus, in dem Alfred Döblin geboren wurde und den Rynek mit den wenigen erhaltenen alten Häusern. An einer Seite bietet sich ein Restaurant neben dem anderen an: ein Chinese, ein Japaner, ein Thailänder und am Ende kommt tatsächlich noch ein polnisches.